Vom alten „Werwolf“

von H. Riesener

In alter Zeit ging des Nachts ein Wer- oder Mannwolf (Warwulf) von Haus Beck am Friedhof Gladbeck vorbei nach Haus Horst. Mit ihm traf einst der letzte Nachtwächter des Dorfes Gladbeck, der Schreiner Theodor Hagemann, der auf dem Timmerhof wohnte, zusammen, und zwar begegnete er dem Werwolf auf einem nächtlichen Dienstgange in der jetzigen Marktstraße, wo die alte Post lag. Kurze Zeit nachher sah auch der Metzger Adolf Wormland den Werwolf in der Nähe seines Elternhauses an der Einmündung der Backstraße auf den Kirchplatz. Wormland wollte in der Meinung, es sei ein großer Hund, das Tier verscheuchen. Doch dieses blickte ihn zähnefletschend an. Als er danach treten wollte, stieß er aber ins Leere. Jetzt fiel ihm die oft von Theodor Hegemann gehörte Erzählung von dem Werwolf ein. Voller Angst zog sich A. Wormland zur Haustür zurück, während das zottige Tier sich durch die Gasse nach Koßmann, der heutigen Wirtschaft Vortmann hinbewegte, um von da seinen Weg nach Haus Beck fortzusetzen.

aus: Gladbecker Blätter 1925

Anmerkung von Johannes Rottmann:

Die Sagen vom „schwarzen Hund’’ und “Werwolf”’ sind verwandt. Dort ist die Hauptperson der schwarze Hund, hier der Werwolf oder Warwolf (von althochdeutsch wer – Mann, also Mann in Wolfsgestalt). Der Werwolf ist nach dem Volksglauben ein Mann, der durch Anlegen eines Wolfshemdes in einen Wolf verwandelt wird und dessen Stärke und Mordlust annehmen kann.

Mein Vater hat mir folgende tragikomische Begebenheit hierzu erzählt:

In der früheren Gastwirtschaft Lepper (’Treppchen’’) hatte man sich an einem Abend lange über Spukgeschichten unterhalten und auch Werwolfgeschichten aufgetischt. Wilm B. hatte hierbei versichert, keine Angst zu kennen. Dies glaubte man ihm nicht. Noch bevor Wilm den Heimweg antrat, hatte ein Anwesender die Wirtschaft unbemerkt verlassen, sich in ein weißes Laken gehüllt und sich auf Wilms Heimwegstrecke in Lauerstellung begeben. Die Nacht war dunkel, Sie war nicht dazu angetan, Wilms mit Spukerzählungen angefüllten Kopf aufzuhellen und ihm die — zwar verhehlte — Angst zu nehmen. Wer weiß, was seine Fantasie aus der weißumhüllten Gestalt machte, die ihn auf dem Heimweg wuchtig von hinten ansprang. Seine Nerven wurden von diesem Werwolf-Sprung arg in Mitleidenschaft gezogen. Er hat als Folge des Spukerlebnisses einige Zeit krank gelegen.

aus: Schriftenreihe Nr. 6 des Vereins- für Orts- und Heimatkunde Kirchhellen